Heischen im Frühjahr
Neujahr, Norddeutschland: Das neue Jahr wird in Norddeutschland gerne mit dem Rummeln begrüßt. Ortsweise auch beendet, wie beim Rummelpottlaufen in Schleswig-Holstein. Das Rummeln steht für rumpelnden, dämonischen Krach, der mit allen möglichen Instrumenten erzeugt wird. Noch übertönt wird der höllische Lärm von der Forderung: "Rummel, rummel, roken, gif me en Appelkooken (Apfelkuchen)."
Neujahr, Niederbayern: Zwecks "Neujahr abgwinne" besuchen Kinder ihre Paten. Sie wünschen ihnen alles Gute zum neuen Jahr. Dafür bekommen sie eine Neujahrswecke. Jemandem das neue Jahr abzugewinnen bedeutet, Un-Glückwünschen zuvorzukommen. Daher wird, wer als Erster den anderen beglückwünscht, mit einer Kleinigkeit beschenkt.
Dreikönigstag, katholisch geprägte Gebiete: Bereits im 16. Jahrhundert zogen Kinder, aber auch mittellose Handwerker und entlassene Soldaten am 6. Januar von Haus zu Haus. Bald schon schlossen sich - verkleidete - Könige an. Ein Stück Stoff ergab schnell und einfach einen schlichten Umhang, aus Pappe entstanden Schmuckstücke. Die Umgänger sangen und baten um Zuwendungen. Armen Leuten half das Heischen, ihre Steuern zu bezahlen. Seit Anfang der 1960er Jahre ist dieser Brauch kirchlich organisiert und die zumeist jugendlichen Sternsinger sammeln Geld und Sachspenden für einen bestimmten Anlass.
Lichtmess, Spergau (LK Merseburg-Querfurt): Hier findet ein Winteraustreibumzug statt, der sich zum Volksfest auswächst. Erwähnenswert sind die Schwarzmacher, die jede (jungfräuliche) Weibsperson be-ehren, indem sie ihr das Gesicht schwarz anmalen. Zeitgleich zum Umzug treten einige Lichtmessgesellschafter zum Heischegang durchs Dorf an. Sie schenken einen speziellen Trunk zur Feier des Tages aus und sammeln Naturalien für ein gemeinsames Mahl.
Petri Stuhlfeier (22. Februar), Haslach im Kinzigtal (Schwarzwald): Am Storchentag, mittags um 12 Uhr, versammelt der Storchenvater die Haslacher Schuljugend zum Umzug. Er trägt einen schwarzen Mantel und einen Zylinder, den zwei Storchfiguren zieren. So gewandet, führt er die Kinder durchs Dorf, wobei sie mit "Heraus, heraus! Äpfel un Bire zum Lade raus!" um Süßes, Laugengebäck, freilich auch um genannte Äpfel und Birnen heischen. Die Störche werden in Haslach so besonders verehrt, da sie einst nach flehentlichem Fürbitten der Bauern deren Ernte retteten, indem sie sich an Ernteschädlingen labten.
Fastnachtszeit, Hessen: Ein Spaß für kleine und größere Maskierte ist es, umherzuziehen und zu singen: "Kräppel raus, der Fuchs ist naus, un wann Ihr mir kei Kräppel gebt, schick ich ihn Euch ins Hühnerhaus!" Kräppel sind in Schmalz ausgebackene und mit Marmelade oder Fruchtmus gefüllte Hefeteilchen (ähnlich dem Berliner/Krapfen/Pfannkuchen).
Veilchendienstag/Faschingsdienstag, Eifel: Der Äerzebär (Erbsenbär) geht um, den Winter auszutreiben! In Begleitung einer Musikkapelle, der Bären-Band, und unter Aufsicht des ganzen Dorfes geht der in Erbsenstroh und -laub dick vermummte Äerzebär von Haus zu Haus, "schlimmstenfalls" auch nur von Kneipe zu Kneipe. Seine Begleiter treiben bei den Schaulustigen Spenden ein. Am Ende wird das Bärenfell verbrannt.
Fastnacht, Sorbische Niederlausitz: Zampern, sorbisch: Camprowanje, ist ein Maskenumzug, verbunden mit gehörigem Radau und Rutenschlagen. Oft bleiben die Kinder tagsüber unter sich, denn die Erwachsenen treffen sich erst abends zum separaten Umzug, der gewöhnlich bei einem Tänzchen endet. Die eingesammelten Naturalgaben werden beim gemeinsamen Zampernessen verspeist. Am Rande vermerkt: Zampern war im Schlesischen einst die Weiberfastnacht.
Hutzelsonntag (1. Fastensonntag) und Fackelsonntag (3. Fastensonntag), Rhön: Mit Hutzelfeuern wird am Sonntag nach Fastnacht der Winter in der Rhön ausgetrieben. Damit das Feuer intensiv und weithin leuchtet, ist eine Menge Arbeit in das Sammeln von Brennmaterial zu investieren. Bewährtes Feuerfutter liefern abgeputzte Weihnachtsbäume, die von der dörflichen Jugend zusammengetragen, aufgeschichtet und mit einer Strohpuppe gekrönt werden. Wenn das Feuer brennt, entzünden die älteren Dorfbuben Fackeln, ziehen mit diesen durchs Dorf und erheischen ihren Lohn für die Christbaumentsorgung: Eier, Fleisch und Wurst sowie Huizeln(= Dörrobst). In und um Fulda wird gehutzelt, in der Umgebung von Bischofsheim der Fackelsonntag erleuchtet.
Karwoche, Franken, Oberpfalz, Eifel, Österreich, Schweiz: Hier ziehen Ratscher- und Klapperbuben (fränkisch: Glabberbubn, in der Eifel: Kläpperjungen), ausgerüstet mit Holzrasseln, Hammer-, Schubkarren-, Walzenratschen oder mit Flip-Flaps umher. Da die Glocken bekanntlich vor Ostern nach Rom fliegen, rufen die Jungs die Gläubigen mit Geratsche, Gerassel und lauten Sprüchen zum Gottesdienst: "Die Glocken sind stumm, sie hängen in Ruh. Wir Knaben singen und klappern dazu. Ave Maria!" Am Karsamstag dann werden die Kinder, heutzutage dürfen selbstverständlich auch die Mädchen mitmachen, mit Ostereiern für ihre Dienste belohnt. Das Einsammeln dieser Gaben bei den Hausfrauen gestaltet sich zu einem erneuten Heischegang.
Gründonnerstag, Südliche Oberlausitz (Raum Zittau): Am Gründonnerstag ziehen die Kinder von Haus zu Haus und singen das Bettellied: "Gut’n Morgen zum Gründonnerstag, gib mir was in ’n Bettelsack. Lass mich nicht so lange steh’n. Ich will ein Häus’l weiter geh’n. Kommt er nicht raus, kommt sie nicht raus, kommt der kleine Junge raus und teilt die ganzen Brezeln aus." Für den Bettelsack gibt es meist Süßigkeiten.
Ostermontag, Nordseeküste, Ostpreußen, Schlesien, Böhmen: Zum Schmagostern gehören junge Baumtriebe, Weiden-, Birkenruten und andere biegsame Zweige. Mit denen treiben die Kinder morgens die Erwachsenen aus den Betten, wobei sie rufen: "Schmackostern, Schmackostern! Drei Eier und ein Stück Speck, sonst geh ich hier nich wech!" Gerne lassen sich die Plagegeister auch mit Osterkuchen und Naschereien befrieden. Junge Burschen ziehen es vor, die Mädchen mit den Ästlein zu streicheln, nun ja, jedenfalls nicht zu arg zu schlagen. Es gilt als Schmach, derart aus dem Bett geworfen zu werden, weshalb die Erwachenden flugs versuchen, die Rute zu ergattern und nun ihrerseits Schläge auszuteilen. Besser kommt, wer sich durch Gaben auslöst. Ob sich der Name des Brauches vom niederdeutschen smacken = schlagen oder vom slawischen smagac = peitschen ableitet, ist ungewiss. Letztendlich ergänzen sie sich trefflich. An der Nordsee wird dieser Heischebrauch als Stiepern (von stieben = herumwirbeln oder stöbern = aufspüren?) bezeichnet.
Pfingsten, Vinxel im Rhein-Sieg-Kreis: Hier veranstaltet der Junggesellenverein das Pfingsteiersammeln, bei dem sich die Burschen Eier (das Fruchtbarkeitssymbol schlechthin!) und Geld verschaffen. Eigentlich gehören weitere Zutaten, die zum Backen von Eierkuchen notwendig sind, zur Beute. Was fehlt, wird nötigenfalls dazugekauft Das reichhaltige Eierkuchenessen findet dann am Pfingstsonntag statt. Dazu gehört auch jede Menge Bier. Um die Sing-Stimmen geschmeidig zu halten. Ja, klar, nur deshalb! "Kommen wir in diesen Hof, Flieder und das Jüngelein, schläft die Frau, dann wecke me se noch, russ on e rein Blümelein, alles muss verzehret sein ... Die Jonge hann de Mai jesatz, Flieder und das Jüngelein, hann die Saach joot jemaach, russ on e rein Blümelein, alles muss verzehret sein ..."
Nacht zum Pfingstmontag, Bayerischer und Böhmerwald: Wichtigste Angelegenheit beim Wasservogelsingen ist wasserfeste Bekleidung. Burschen ziehen – ordentlich dicht und wie ein Federvieh verpackt – durch den Ort und singen: "Mia san so breslstrucka, ös wia a Ofaglucka." oder "D’ Wossavögerl muaß ma giaßn, sonst tuats as boid vadriaßn." Kurz gesagt, sie fordern heraus, begossen zu werden. Ein paar hausgemachte Gstanzl (bayerische Spottverse, die auf bestimmte Personen, hier die jeweiligen Hausbewohner, abzielen) runden den Spaß ab. Daraufhin werden die Burschen, stellvertretend für die Wasservögel, aus den oberen Stockwerken der Häuser heraus eimerweise mit Wasser begossen. Mit diesem Brauch wurde Wasser (= Regen) herbeigewünscht für eine reiche Ernte und auch dafür, dass es den Tieren gut gehen möge. Zum Dank bekommen die Sänger Eier, weitere Naturalien und Kleingeld. Letzteres und die Eier werden zum Abschluss des Heischegangs im Wirtshaus, während die Kleidung trocknet, verbraten. Mancherorts heißt der Umzug Pfingstvogelsingen.
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