Evangelisch-lutherische Marienkirche Pirna; Foto: © Sylvia Koch Marienkirche Pirna

Die Kirchweih

Einen verehrten Platz oder Gegenstand zu weihen und zu schmücken – liegt dieses Bedürfnis in der Natur des Menschen? Sicher! Denn warum sonst kehren wir an Orte des Glücks zurück, heben eine Haarlocke des Liebsten auf, pflegen verzaubernde Erinnerungen? Bereits die Stätten heidnischer Kulte wurden geweiht, so dass es der christlichen Kirche nicht schwerfiel, deren Rituale zu verwerten, umzuwidmen und aufzuheben.

Wie der Name bereits verrät: Mit einer Kirchweih wird die neuerbaute Kirche geweiht oder der jährlichen Wiederkehr der Weihe gedacht (althochdeutsch: wîh = heilig). Indem es geweiht ist, wird das Bauwerk in den Dienst der Kirche gestellt.

Kirchweihfeiern sind seit dem 4. Jahrhundert belegt.

Kirchweih oder Patronatsfest?

Des Heiligen, dem die Ortskirche geweiht ist, gedenkt die Gemeinde mit einem eigenen Fest, dem Patrozinium. Es ist zunächst und prinzipiell nicht mit der Kirchweih identisch. Doch wann einst eine Kirche geweiht worden ist, geriet vielerorts in Vergessenheit. Weshalb die Gemeinde nun oftmals, weil pragmatisch, ihre Kirchweih am Tag des Kirchenheiligen feiert. Wo möglich, gestaltet sich der Patronatstag als Kleine Kirchweih.


Zumeist wurden die Kirchen im Sommer erbaut, darum fällt Kirchweih vorzugsweise in den Herbst. Außerdem: Erst nach der Ernte hat die Landbevölkerung Zeit und Muße, ausgelassen zu feiern. Womit wir beim Zusammengang sind von Kirchweih und Erntedankfest.

Weil nun jeder bewohnte Flecken in unseren Breiten auch ein Kirchlein zu bieten hat, gibt es im Herbst allerorten und zuhauf etwas zu feiern. Der spirituelle Akt, der Gottesdienst, wird stets trefflich ergänzt durch einen weltlichen Teil, den Jahrmarkt mit Belustigungen, Rummel, Verkaufsständen und Bewirtung. Ohnehin begehen wir die Kirchweih sehr viel diesseitiger als den sakralen Erntedank.

Indessen nahmen die Kirchweihfeste in mancher Epoche solch Übermaß an, dass sich die Oberhirten schließlich zur Maßregelung veranlasst sahen. Jedenfalls wurde festgelegt – zuallererst wohl vom Habsburger Kaiser Joseph II. (1741-1790) –, katholische und protestantische Kirchweih als gemeinsame Allerweltskirchweih zu begehen. In kaiserlichem Andenken volksmündlich zur Kaiserkirmes ernannt, zelebrieren wir sie seitdem am dritten Sonntag im Oktober.

Ob alle Kirchgemeinden sich daran halten? Das kann jeder selbst überprüfen: Denn Kirchweih ist, wenn die rot-weiße Zachäus-Fahne am Kirchturm weht. Über die Einkehr Jesu im Hause des Zöllners Zachäus wird im Lukas-Evangelium berichtet. Da dieser biblische Abschnitt regelmäßig zum Kirchtag-Gottesdienst gehört, heißt es sprichwörtlich, dass Zachäus auf jeder Kirchweih anzutreffen sei.

Rezepte zur Kirchweih

Ein Indiz auf die weite Verbreitung des Kirchweihfestes stellen die verschiedenen mundartlichen Bezeichnungen dar:

Aus der Kirchmesse wurde

  • Kirmesse, Kirmes, Kirms oder Kirmst in Sachsen,
  • Kärmes, Kärmst in Thüringen,
  • Kerb in Rheinfranken,
  • Kirbe in Württemberg,
  • die Mannheimer oder kurpfälzische Mess,
  • Kärmetze im Sauerland und
  • lippischplatt die Kärmisse.

Von der Kirchweih stammen ab

  • Kehrebb im Hunsrück,
  • Kiawa in der Oberpfalz,
  • Kerwa, Kärwer, Kerba in Franken,
  • Kierbe im Oberallgäu und
  • die Kerweih der Banater Schwaben.

Aus dem Kirchtag wurde

  • Kirta, Kirda in Altbayern,
  • Kirdag u.ä. in Österreich und
  • in der Schweiz heißt's Chilbi.

Obendrein ist das Wort Kirmes in anderen Sprachen heimisch. In Frankreich hören wir von la kermesse. Im Niederländischen und im Afrikaans heißt es kermis.

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