Wortspielereien à la carte

Es gibt zahlreiche Wörter, deren eigentliche Bedeutung verloren ging, da sie sich gewandelt hat. Sehr oft auch sind wir uns ihrer gar nicht mehr gewahr.

Hier ist Platz, sie aufzustöbern und kurz zu beleuchten.

Das Wort Wort selbst übrigens bedeutet: Name. Somit sorgt es dafür, dass wir alles, wirklich alles benennen können. Formidabel (Erklärung s.u.)!

Einer fehlt im Wortschatz

Wir bemuttern, doch bevatern nicht. Obendrein kennen wir nur eine Gebär-Mutter ...

Weihnachtsmann; Foto: © Sylvia Koch Wenn's weihnachtet

Wir begatten nur, statt auch zu begattinnen.

Sich zu verbrüdern, ist genehm. Indes, so scheint es, hat es sich allweil ausgeschwestert.

Von Gefühlen, Müdigkeit und anderen Gegnern übermannt, liegen die Kerle reihenweise darnieder. Frauen kann das wortwörtlich nicht passieren!

Es weihnachtet, indessen es niemals ostert oder pfingstet.

Von verschleierter Herkunft

Eine Zeitung hat nichts mit der Zeit zu tun, auch wenn sie das Neueste von vorgestern verkündet. Sie ist die altgotische Tidung, welche im Niederdeutschen wie Niederländischen weiterhin als Nachricht samt Botschaft umgeht.

Was uns heute merkwürdig, also eigentümlich, verschroben oder verwunderlich, anficht, war einst des Merkens würdig. Es sollte beachtet und im Gedächtnis behalten werden. Es war und ist merkenswert.

Homo, der Mensch, und Humus, der Erdboden, sind miteinander verwandt, quasi irdisch verknüpft. Man hört es. Doch ist es uns wirklich bewusst? Klar, doch! Spätestens, wenn uns die liturgische Formel "Erde zu Erde ..." erreicht.

Das Nickerchen ist ein solches, weil es vom Neigen kommt. Wir gönnen es uns, sofern wir nur eine Mütze Schlaf nehmen, ein bisschen dösen wollen. Weshalb wir uns auch gar nicht erst hinlegen, wir bleiben sitzen. Sobald dann der Kopf der Schwerkraft folgt und nach vorn kippt, sind wir mittendrin im Nicker.

Gecheckt = kapiert? Gemach, gemach. Zunächst meint to check, etwas zu stoppen, wörtlich Schach zu bieten. Dann freilich können wir die Sache prüfen, um sie letztendlich vielleicht sogar begreifen zu können.

Wer etwas anzettelt, will im ursprünglichen Sinn einen Stoff weben. Zettel ist ein anderes Wort für die Kette, die auf den Webstuhl zu spannen ist. Anzetteln meint zunächst also anweben. Daraus entwickelte sich, etwas zu beginnen. Heute verstehen wir darunter, zu einer voraussichtlich heiklen Sache anzustiften, sie einzufädeln.

Wortwörtlich oder ein bisschen Nonsens

Vieldeutig: Frisches ist nicht immer unterkühlt. Es kann auch brühwarm aufgetischt werden.

Wer weiß, was in einer Mitternachtssuppe schwimmt?

Beschützt der Katastrophenschutz nur das Unglück? Oder den Teil der Menschheit, der vom Rest derselben als Katastrophe empfunden wird?

Los und Lotterie entstammen einer Familie. Ebenso der Loser = Verlierer. Irgendwie sollte das den Gewinnwilligen zu denken geben.

Sichert eine Sterbeversicherung gegen den Tod ab? Bestimmt nicht. Nein, selbst dann nicht, wenn sie sich Sterbegeldversicherung nennt.

Manches Versprechen entpuppt sich im Nachhinein als Versprecher. Versprochen!

Paradox: Oxymora

Neulich gehört: Da sei etwas kleingewachsen. Ja, was nun: klein oder gewachsen?

Ebenso paradox geben sich:

  • Ausnahmeregel
  • Ausschussqualität
  • bittersüß
  • Busbahnhof
  • Doppelhaushälfte
  • Entschuldungskredit
  • Feuerwasser
  • Frauenmannschaft
  • Friedenskampf
  • Fruchtfleisch
  • Gefängnis-Fluchtweg
  • Gefrierbrand
  • Handschuh
  • Hassliebe
  • hinabsteigen
  • Höllenspaß
  • Holzeisenbahn
  • Investitionsruine
  • Jugendalter
  • Laufrad
  • Lustschmerz
  • Ohnmachtsanfall
  • Produktionsstopp
  • Regelbestätigungsausnahme
  • Rundspitze
  • Sandstein
  • Schulferien
  • Sitzungsmarathon
  • splitterfasernackt
  • Sprechgesang
  • Stand-up-Sitzung
  • Trauerfeier
  • Tretlager
  • Unterberg
  • Urlaubsstress
  • Wahlpflicht-Schulfach
  • Wochenendbeginn
  • zusammenreißen


Bedeutungswandel, der Spuren hinterließ

Bieder heißt wortwörtlich bedürftig. Was alsdann so bieder wie wacker und fromm galt, ist heute verpönt. Weil spießig, hinterwäldlerisch, von gestern.

Formidabel empfinden wir Dinge und Geschehnisse, die außergewöhnlich, imposant oder erstaunlich daherkommen. Der lateinischen Vorlage formidabilis indes scheinen sie furchtbar, gar grausig zu sein.

Damen, die es hassen, Weib genannt zu werden, warten wohl umsonst auf ihren Traummann. Weib bezeichnete zunächst, und zwar familiär und liebevoll, das (bessere?) Ehegespons. Eine Ehefrau hingegen war vor allem die Herrin.

Mit Gift = tödlich, Mitgift = löblich. An sich sind beides Gaben. Daher auch bezeichnet gift im Englischen ein Geschenk. Es kommt halt, wie immer, auf die Dosis an.

Reklamation vs. Reklame – Diese beiden Wörter sind ein gutes Beispiel, wie sich aus einem gemeinsamen Stamm völlig verschiedene Bedeutungsäste entwickelt haben. Das lateinische Wort reclamare meint laut (dagegen)schreien. Bei der Reklamation liegt der Schwerpunkt auf dagegen, bei der Reklame auf laut. Zur Familie gehört deklamieren, womit wir etwas zu Gehör bringen.

So manch einer zieht eine Schau, auch Show geheißen, ab, obwohl es dabei augenscheinlich gar nichts zu sehen gibt.

Nicht ohne mein Un-

Einige unserer Zeitgenossen lieben es, unverrichtete Sachen zu bejammern und vor sich her zu schieben. Während andere es für selbstverständlich halten, die von ihnen verrichteten Dinge nicht mal an die große Glocke zu hängen.

Wenn etwas unzulänglich ist, müssen wir demnächst alle Hoffnung begraben. Es kann wohl niemals mehr zulänglich werden, dieweil diese Eigenschaft im Aussterben begriffen scheint.

Nie fiele uns ein, Unfug nur als Fug anzustellen. Das dürfen wir mit Fug und Recht behaupten.

Ungemein gemein kommt selbiges Wortpaar daher. Denn wie passen sie als Gegensätzliches zueinander? Indem wir uns Gemeines nicht als Niederträchtiges vorstellen, sondern als Allgemeines wie Durchschnittliches betrachten. Dann ist ungemein durchaus beachtlich. 

Wir halten uns nicht damit auf, nur wirsch, zu sein. Nein. Wenn schon verärgert, dann richtig, und zwar unwirsch.

Was mag wohl das Gegenteil von unliebsam sein? Liebwärts ist diese Gefühlsregung leider nicht mehr nachzuweisen.

Ein Ungetüm beschreibt etwas Außerordentliches. Die Besonderheit als Wort besteht darin, dass sein Un- das Tum nicht negiert, sondern verstärkt. Das mittelhochdeutsche Tuom bedeutete Macht, auch Besitz. Es blieb im König- wie auch im Fürstentum erhalten.

Wie einige der vorgenannten Begriffe es bereits zeigen: Nicht immer ziert die Vorsilbe un- das gegenteilige Pendant zum Wort. Ein klares Wetter zeigt sich zunächst als laues Lüftchen. Per Un- flaut es nicht ab, sondern es verstärkt sich. Wenn es will, sogar katastrophal. Ebenso intensivierend verhalten sich Unmengen und Unkosten. Dies erklärt im Übrigen auch, was unterscheidet, ob uns eine Sache nicht geheuer oder eben ungeheuer erscheint.


Kein Wort ist schlecht (oder: Unwörter, die keine sein wollen)

Bimbo: Schade! Es gibt so viele hübsche Tiergeschichten über Bimbos. Mal ist es ein Äffchen, mal ein Elefant oder ein Nilpferd. Doch leider wird Bimbo nur noch als diskriminierendes Schimpfwort gebraucht, da niemand mehr jemandes Bimbo machen will.

Neger: Mensch mit angeboren dunkler Hautfarbe; obwohl lateinisch: niger = schwarz, dunkel. Vom Wort-Verbot betroffen sind auch N....-Küsse, deren Umbenennung in Schwedenbomben gerade noch verhindert werden konnte. Denn auch dieser Name scheint politisch unkorrekt. Weshalb die Kalorienhaufen nun zum Schaumzeug gehören.

getürkt: Keine Menschenseele türkt, denn getürkt sind immer nur Dinge und Vorgänge. Obwohl die sprachliche Herkunft dieses Tuns völlig unklar ist, vermeiden wir es – das Wort.

Mohr: Mensch mit angeboren dunklerer Hautfarbe; obwohl althochdeutsch: mor = Maure (auch Äthiopier oder Nordafrikaner). Ein bekannter Schokoladen-M... musste, respektive durfte inzwischen zum Magier umschulen. Mohrrüben allerdings sind bis auf Weiteres noch (!) geduldet.

Zigeuner: Angehörige von indogermanischen Wandervölkern; Namensherkunft unklar, vielleicht von einer sehr frühen Eigenbezeichnung stammend: de Secanen, welche sich in vielen slawischen Varianten wiederfindet.

Liliputaner: Kleinwüchsiger; obwohl ursprünglich: Weltliteraturerbe, denn Liliput ist ein Märchenland in Jonathan Swifts "Gullivers Reisen", in dem winzig kleine Menschen leben.

Krawatte: potentiell ein Unwort, da es möglicherweise den Volksstamm der Kroaten verunglimpft.

Indianer: Sammelname Nicht-Rothäutiger für die meisten Urvölker Amerikas. Das Wort steht zur Debatte, ein böses zu sein. Weil es daran erinnert, dass der erhabene Amerikaner = häufig Ex-Europäer fehlbar ist? Doch mangels Alternative, immerhin gab/gibt es mehr als zweitausend indigene Stämme, kann der Begriff nicht so schnell und einfach abgeschafft werden. Skandalös: Der Indianerkrapfen, ein österreichisches Biskuitgebäck, ist in Deutschland als Mohrenkopf bekannt. Bedenklich, bedenklich!

Indessen:

Was nutzt es, politisch korrektes Auftreten zu verordnen, wenn die innere Einstellung zum Thema nicht stimmt? Verurteilt gehört, wer eine Vokabel ausspeit, um seine Verachtung auszudrücken. Das Wort per se ist neutral.

Dennoch!

Dennoch ist zu respektieren, dass jemand sich durch eine bestimmte Wortwahl erniedrigt fühlt. Weshalb diese stets abzuwägen ist.

aussterbend

Aussteuer – Mitgift für die Tochter des Hauses, aus Geschirr, Küchenutensilien und Haushaltswäsche bestehend.

B-Seite – "Zweit-"bester Titel einer Single-Vinyl-Schallplatten, derweil sich dieser quasi auf der Rückseite der Platte (s.u.) befand. 

Bandsalat – Beschädigtes, bestenfalls nur verwickeltes Magnetband eines Musik- oder Videorekorders.

Frisko – Abgelöst durch den Schminktisch, denn es handelt sich um die Frisierkommode. Wobei  das Möbel an sich eher selten frisiert wird. Es dient, sofern noch vorhanden, meist dazu, unentbehrliche Haarpflege-Utensilien aufzunehmen.

Klopfstange – Fest im Boden verankertes Gestänge mit horizontal angebrachtem dickeren Rohr. Zwecks Reinigung wurden Teppiche über diese Stange drapiert, um alsdann mittels Teppichklopfer Schmutz und Staub aus den Bodendecken herauszuprügeln.

Platte – Kurz für: Schallplatte. Tonträger, bevor es Musikkassetten, CDs oder gar elektronische Speichermedien gab.

saumselig – Eigentlich beglückt-verträumt; dann gewandelt in pflichtschuldig-verzagt. Das Wort wird nur kläglich ersetzt durch die Attribute faul, arbeitsscheu, nachlässig oder schludrig.

Schaufensterbummel – Fand meist sonntagnachmittags statt, wurde abgelöst vom zielgerichteten Einkaufen.

Sendeschluss – Programmende bei Radio- und Fernsehsendern. Wird heute mit Verkaufssendungen oder wiederholten Wiederholungen vermieden, derweil sie nahtlos ins Programm des nächsten Tages münden.

Sonntagsstaat – Die gute Ausgeh- oder Feiertagsbekleidung. Für besondere Wochentage gab es ein hübsches Nachmittagskleid.

Telefonhäuschen – Eine Kabine um einen Münzfernsprechapparat mit kleiner Ablage für das zumeist zerfledderte oder gar fehlende Telefonbuch. Die etwa ein Quadratmeter große Zelle war schließbar. Sie hatte aber zumindest die Tür aus Glas. Damit Ankommende sehen konnten, ob sich bereits ein Fernsprechteilnehmer im Kabüffchen befand. Das Schild "Fasse dich kurz!" befahl Telefonierenden, ihre Redezeit zu begrenzen. Denn, "Nimm Rücksicht auf Wartende". Ach so. Es hatte also nichts mit den Gebühren zu tun.

Unterschuss – Gewohnt an ein Übermaß an Informationen, an Arroganz und anderen Auswüchsen, vergessen wir, dass es auch einen Modus fürs Zuwenig gibt. Der hierbei hörbare Schuss leitet sich übrigens vom Wort Schutz ab.

Wählscheibe; Foto: © Sylvia Koch Wählscheibe

Wählscheibe – Einst Teil eines Fernsprechapparats alias Telefons, der durch einen Tastenblock abgelöst wurde.

Waschhaus / Waschküche – Separates Häuschen oder Raum im Souterrain eines Wohnhauses, in dem verschiedene Geräte zur manuellen Wäschereinigung untergebracht waren. In einem größeren Waschzuber, einem beheizten Kessel, wurde die "Große Wäsche" gekocht.

Wartehalle – Abgetrennter, wettergeschützter Saal eines Bahnhofs, in dem Reisende, sofern im Besitz einer gültigen Fahrkarte!, auf ihren Zug warten durften.

Weshalb ...

... Gegenstandswörter aussterben, ist rasch erklärt. Die Nomen verschwinden, sobald selbiges Ding oder die betreffende Einrichtung nicht mehr gebraucht wird. Wenn allerdings solch ein Wort Glück hat, bleibt es in Redewendungen bestehen. Weshalb wir nach wie vor den Pfennig innigst ehren, weiterhin gern auf Pulverfässern hocken, Lanzen für andere brechen, usw. usf.

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