Es ist soweit: Der Sommer ist längst vorbei und nun verabschiedet sich auch schon der Herbst. Ist die Ernte eingebracht, beginnt im Jahreslauf der Bauern ein neues Wirtschaftsjahr. Mägde und Knechte erhalten den Jahreslohn, sie könnten jetzt den Dienstherren wechseln. Die letzten Tage vor Martini lässt es die Dienerschaft oft ein bisschen leichter angehen, denn sie muss nicht mehr so hart arbeiten; sie macht sich eine Schlumperwoche.
Die dörflichen Spinnstuben öffnen. Hier treffen sich an den langen, dunklen Winterabenden bis Lichtmess die Frauen und Mädchen zu gemeinsamer Hand- und Putzarbeit. Ein Nebeneffekt ist, Kosten zu sparen, denn es muss nur eine Stube beheizt und mit Kerzenlicht beleuchtet werden. Es wird gesungen und getratscht, gemunkelt und gekungelt. Die wichtigste Frage ist, welches Mädchen wohl von welchem Burschen am Abend abgeholt und nach Hause begleitet wird. Das gibt Gesprächsstoff für die nächste Zusammenkunft.
Zur Begleichung der Pacht wird Vieh abgeliefert. Was darüber hinaus mangels Futters nicht durch den bevorstehenden Winter gebracht werden kann, landet im Wurstkessel. Deshalb gibt es im späten Herbst die meisten Schlachtfeste. Die Martini-Gans übrigens wird aus genau diesen Zwängen geopfert. Fein! Jetzt schmeckt sie eh am besten.
Das sechswöchige Adventsfasten beginnt am Tag nach Martini, weshalb der Tag als Adventsfastnacht gilt. Wer Buß- und Fastenzeit streng nimmt, feiert und tanzt nicht. Selbst heiraten, das muss grad jetzt auch nicht sein.
Am Martinstag werden die Kinder mit Süßigkeiten beschenkt. Im Besonderen sind das Martini-Brezeln und -Wecken (Semmeln) in Form eines Mannes, des Weckmannes.
Mit den Laternenumzügen zu Ehren des Heiligen Martin beginnt eine Reihe von Lichtprozessionen, die durch die dunkle Jahreszeit führen und mit den Wintersonnenwendfeuern um den 21. Dezember enden.
Im November endet naturgemäß die Weidezeit. In manchen Gegenden werden die Schafe geschoren. Am Namenstag Katharinas von Alexandria beginnt die eigentliche, nun besonders strenge, vorweihnachtliche Fastenzeit.
Der Tag gilt als wichtiger Lostag im bäuerlichen Leben:
Heute schließt sich der kirchliche Jahreskreislauf. Es werden allerlei vom Aberglauben inspirierte Rituale gepflegt wie das Lichterschwimmen, Bleigießen, das Orakeldeuten, Pantoffelwerfen oder Bettstatt-Treten. All das dient dem Begehr, einen Blick in die Zukunft, auf kommendes Liebes- und Lebensglück zu werfen.
Abends, sprich um 18, um 21 oder 24 Uhr, werden die Andreasreiser geschnitten: Das sind Ruten von sieben, vielleicht auch neun verschiedenen Obstbäumen oder Beerensträuchern. Dies muss nicht nur schweigend, sondern auch heimlich geschehen. Drum heißt es, sich nicht erwischen zu lassen! Die Zweige werden in eine Vase gestellt und drei Ästlein mit verschiedenfarbigen Bändern umwunden, wobei jedes für einen bestimmten Wunsch steht. Erblühen die geschmückten Zweige bis Weihnachten, geht der Wunsch in Erfüllung.
Barbaras Vater war derart entsetzt über ihr Bekenntnis zum Christentum, dass er sie ins Gefängnis werfen ließ. Auf dem Weg dahin verfing sich ein Kirschzweig in Barbaras Haar. Sie stellte ihn ins Wasser, und nach einigen Tagen begann er, Blätter und Blüten zu treiben.
Aus dieser Legende entspringt der Brauch, Anfang Dezember Äste von Kirschbaum oder Forsythie in der warmen Wohnung austreiben zu lassen. Der Barbarastrauß steht als Symbol für etwas, das schon erloschen schien und trotzdem schöner als zuvor wieder zu gedeihen vermag.
Seine Popularität verdankt Nikolaus zuvorderst einer Untat: Seine Gebeine, einst in Kleinasien bestattet, wurden um 1087 von süditalienischen Kaufleuten, Rittern oder Piraten – was damals mehr oder minder ein und derselbe Erwerbszweig war – gestohlen. War es das schlechte Gewissen, weshalb die Missetäter zu Nikolaus' Ehren in Bari eine Basilika bauten? Jedenfalls sprechen Kirchenväter nun lieber von Entführung statt von Diebstahl. Damals wie heute gilt: Heiligenreliquien sind ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor. Weshalb sich jede Gemeinde freut, wenn solcherlei Andenken in ihr Kirchlein "gelangen".
Dass der Nikolaustag ein Schenk- und Rügetag ist, zeigt sich im Erscheinen der mehr oder minder garstigen Gesellen, die Nikolaus begleiten. Während der Herr mit der großen Mütze fürs Schenken zuständig ist, übernehmen seine mit Rute und Üblerem ausgerüsteten Begleiter das Bestrafen. Als Haudrauf so bekannt wie berüchtigt sind Pulterklas, Hans Muff/Hans Trapp, Belzebub, Ascheklas. Der Pelzebock, Pelzmärtel, Pelznikel (pelzen = schlagen, hauen) und der Klaubauf. Außerdem erkennen wir den Krampus, Leutfresser, Klötterjönken. Den Rauwuckel, Rumpelb(l)ass, Partl/Bartl (Bartholomäus), Butz und Pietermann. Das Klausmänneken, Schwarzkäsperchen. Viele weitere und freilich auch Knecht Ruprecht selbst, welcher buchstäblich der Urahn aller Rüpel ist. In Rudeln erscheinen Buttnmanndln mit Tiermasken und rasselnd lärmenden Schellen oder die Gangerl mit ihren Felljacken und Tierhörnern auf dem Kopf. Sie alle verkörpern das Teuflische. Tröstlich immerhin: Der gute Nikolaus hat sie, die Bösen, alle im Griff.
Kinder in Schlesien bekamen früher einen gebackenen Krampus geschenkt. Das war ein Früchtebrot-Püppchen oder ähnliches in Gestalt des Teufels. Was für eine interessante Erziehungsmethode: Das Diabolische einfach verspeisen.
Was nun hat es mit den Stiefelchen auf sich, die Niklas des Nachts mit süßen Sachen füllt? In die Schuhe wurde vormals das Futter gesteckt für den Esel, den der gute Mann mit sich führte. Dafür erhalten die Kinder noch heute kleine Gaben. Und darum verdanken wir es ihm, dass die Kinder wenigstens einmal im Jahr ordentlich ihre Schuhe putzen. Denn eines ist gewiss: Der Nikolaus bestückt nur blank gewienerte Treter!